Eine Schule der besonderen Art

Fachoberschule für Landwirtschaft Auer
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Tierwohl: Selbstkritik muss sein. Hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion an der OfL

Nutztierhaltung in Südtirol steht in einem Spannungsfeld zwischen Tierwohl und Wirtschaftlichkeit. Zu diesem Thema hat die Fachoberschule für Landwirtschaft am 18. April Fachleute geladen, mit denen die Schüler und Schülerinnen der vierten und einigen fünften Klassen in Austausch treten konnten. Rede und Antwort gaben die Universitätsdozenten Matthias Gauly (Veterinärmediziner, Agrarwissenschaftler, lehrt Nutztierwissenschaften an der Freien Universität Bozen), Martin M. Lintner, (Professor für Moraltheologie und Spirituelle Theologie in Brixen, Mitglied des Landesethikkomitees), LA Brigitte Foppa, Biometzger Alexander Holzner und die Agronomin Verena Angerer mit Weidehaltung von Schweinen in Pfitsch.

Die Schülerinnen und Schüler hatten sich vor Beginn der Podiumsdiskussion mit der Thematik auseinandergesetzt und zu Teilbereichen debattiert. Diese Ergebnisse stellten die jungen Leute zu Beginn der Podiumsdiskussion vor. Zudem hatte die Schule im Vorfeld eine Umfrage unter 329 Schülern und Schülerinnen durchgeführt, aus der hervorgeht, dass sie die Tierhaltung in Südtirol im Allgemeinen als gut bewerteten, begründet hauptsächlich durch die kleinen Betriebsstrukturen und die Alpung im Sommer. Allen Befragten gemeinsam war die Einschätzung, dass das Thema Tierwohl in Familie, unter Freunden und in der Öffentlichkeit wenig präsent ist. Auch fällt es schwer, Fleisch von artgerecht gehaltenen Tieren beim Kauf als solches zu erkennen. Schließlich gaben zwei Drittel an, mehrfach pro Woche Fleisch zu essen. Seinen Fleischkonsum hat ein Großteil der Befragten (66 %) in den letzten Jahren zwar nicht grundlegend verändert, 20 Prozent wohl aber etwas reduziert. Ein Umstieg auf vegetarische Ernährung ist nur für wenige vorstellbar, aber immerhin für 27 Prozent Mädchen und 20 Prozent Buben.

Regionalität wurde in der Umfrage als wichtig gewertet, auch die Kennzeichnung der Herkunft in der Gastronomie wird zu 84 Prozent befürwortet. Bewusst ist den Schülerinnen und Schülern auch, dass hoher Fleischkonsum die Art der Tierhaltung beeinflusst. Deshalb darf Fleisch aus tiergerechter Haltung auch mehr kosten.

Bevor es in die Diskussion ging, gab es im Foyer der Aula Magna eine vegane Jause, zur Verfügung gestellt von der Fachschule für Hauswirtschaft und Ernährung Neumarkt. Dann ging es in die Podiumsdiskussion, an der die Schüler und Schülerinnen sehr aktiv teilnahmen.

Dass die Situation in Südtirol so perfekt wie gedacht aber nicht ist, wurde dann im Gespräch mit den Fachleuten klar. In Südtirols Ställen seien 70 Prozent der Tiere noch angebunden und nicht alle Mindestvorgaben werden immer eingehalten, so Professor Gauly. Südtirols Stärke läge im Genossenschaftswesen mit Unterstützung durch die Landwirtschaft. Selbstkritik müsse durchaus sein. Denn: Wenn die Bauern selbst nicht überzeugt seien, funktioniere es nicht. Außerdem, so Gauly weiter, bedeute regional nicht automatisch gut. Besonders werde ein Produkt erst durch die Qualität. Und da reiche der Südtirol-Bezug alleine nicht aus. Da brauche es mehr, beispielsweise die richtige Rasse, Stallhaltung usw.  Südtirol müsse beweisen, dass das, was auf den Markt kommt, besser ist.

An die Aufgabe des Konsumenten, bei sich selbst anzufangen, appellierte Moraltheologie Moraltheologe Professor Markus Lintner. Tiere auf einen reinen Nutzwert zu reduzieren, sei schlecht. Allein der sprachliche Begriff „Nutztier“ reduziere das Tier auf den Nutzen für den Menschen. Ein angemessener Umgang zeige sich in artgerechter Haltung. Auch Tiere haben Emotionen und deshalb die unbequeme Frage: Dürfen wir sie also töten und leiden lassen?

Auf den Aspekt der Schlachtung ging Biometzger Alexander Holzner ein, der sich für mobile Tierschlachtung einsetzt. Sie sei als letzter Schritt eines bis dahin artgerecht gehaltenen Tieres zu betrachten, auch die 42 Schlachthöfe in Südtirol tragen einen wichtigen Betrag dazu bei. Südtirol dürfe sich aber nicht auf dem Ist-Zustand ausruhen.

Landtagsabgeordnete Brigitte Foppa erklärte, das neue Gesetz zur Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln in der Gastronomie mitunterzeichnet zu haben, um einen Denkprozess anzuregen und gab auch ein anschauliches und beeindruckendes Beispiel zu einem Kälbertransport in Südtirol.

Verena Angerer, diplomierte Agronomin, Diplom-Fleischsommelier sowie Forscherin im Bereich Tierhaltung hat den elterlichen Hof in Pfitsch umgekrempelt und mit der Weidehaltung von Schweinen begonnen. Sie strebt danach, Lebensmittel nach hohen Tierwohlstandards zu produzieren und gab Einblick in die Bewirtschaftung ihres Betriebes.

Fazit der Veranstaltung war, dass Nutztierhaltung in Südtirol in der Zukunft dann eine Chance hat, wenn sie auf Qualität setzt und Tiere artgerecht gehalten werden. Und dazu gibt es auch in unserem Land durchaus noch Verbesserungsbedarf, denn Regionalität und Südtirol-Bezug allein sind zu wenig, um auf Dauer wirtschaftlich arbeiten zu können.